Uchidachi und shidachi – who is who?

Bei den waffenlosen Aikido-Techniken (tewaza) sind die Rollen des Ausführenden und jenem/jenen, an dem/denen eine Technik ausgeführt wird, zumindest im Unterreicht klar verteilt. Ersterer wird tori genannt, der/die anderen sind ukeIn der Arbeit mit (Holz-)Waffen sind jedoch auch andere Bezeichnungen gebräuchlich. Hier haben sich die (traditionelleren) Begriffe shidachi und uchidachi in punkto Rollenverteilung bewährt.

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(c) Tiefenscharffotografie/Sebastian Räuchle

Zur Erinnerung hier noch einmal die Bedeutungserklärungen zu tori (aite) und uke (shite):

  • tori (取り): Aufnehmender, Sammler (取: nehmen); vom Verb toru (取る: ergreifen, nehmen, aufnehmen, wählen, fassen; im Aikido also jener, der die Technik ausführt [Synonyme: shite (仕手): Ausführender; nage (投げ): Werfender]
  • uke (受け): Empfänger einer Technik; jener, der etwas aufnimmt, nutzt etc.; vom Verb ukeru (受ける): auffangen, erhalten, bewahren, retten, erleiden; im Aikido also jener, der zunächst einen Angriff ausführt bzw. dann die Technik empfängt und in Folge dessen beispielsweise fällt oder fixiert wird [Synonym: aite (相手)Partner, Gegenüber, Gegenpart, Gegner]
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(c) Tiefenscharffotografie/Sebastian Räuchle

Uchidachi und shidachi

Demgegenüber gibt es in den bukiwaza, also den Techniken mit Waffen – insbesondere in der Begegnung zweier mit Schwertern bewaffneter Parts – die Bezeichnungen uchidachi und shidachi, die im Folgenden kurz erklärt werden sollen:

  • uchidachi (打太刀)

uchi (打) bedeutet schlagen bzw. treffen, tachi (太刀) bedeutet Schwert. Wörtlich übersetzt heißt uchidachi also das schlagende bzw. angreifende Schwert. In den klassischen Kampfkünsten nimmt meist ein senpai diese Rolle ein und leitet dabei den shidachi (meist ein kohai) durch seine Ausführungen in Tempo, Distanz, etc. an. Uchidachi arbeitet ggf. auch aus der ungünstigeren Position heraus, im Freien etwa entgegen der Sonne oder hangaufwärts gerichtet.

Uchidachi initiiert den Angriff und “verliert” in der Regel die Begegnung, indem er die finalen Aktion dem shidachi überlässt. Anmerkung: Im Aikido kommt auch die Bezeichnung ukedachi (受け太刀) vor.

  • shidachi (受太刀; auch 仕太刀)

shi (受) bedeutet akzeptieren, empfangen, beantworten. Die Rolle des shidachi nimmt meist der Schüler bzw. ein kohai ein. Er steht, je nach Trainingsumgebung in der für ihn günstigeren Ausgangsposition (beispielsweise mit der Sonne oder einem Hang im Rücken). Shidachi “gewinnt” in der Regel die Begegnung, indem ihm die finale Aktion überlassen wird.

Kurzer Exkurs zum kohai/senpai-Verhältnis


In den Kampfkünsten ist senpai (先輩) jener, der früher dazugekommen ist bzw. schon länger da ist (länger eine Stilrichtung studiert, früher ins Dojo eingetreten ist, höher gestellt usw.). Das bedeutet aber keineswegs zwingend, dass es sich dabei um eine ältere Person handelt. Demgegenüber ist kohai (後輩) der im Vergleich zu senpai später Eingetretene (auch hier ist das Alter von nachrangiger Bedeutung).

Das kohai/senpai-Verhältnis ist ein essentieller Bestandteil der Weitergabe von Wissen bzw. in der Lehre innerhalb der japanischen Kultur. Es existiert also keineswegs nur im (ko)budo, sondern findet sich in allen Lebensbereichen.

Aikido und Kashima shinto-ryu

Ein Beispiel aus den traditionellen japanischen Kampfkünsten – koryu bzw. kobudo* genannt -, bei dem die Rollenverteilung uchidachi-shidachi gebräuchlich ist, ist die Kashima shinto-ryu. Die Schwertschule wurde um das Jahr 1530 von Tsukahara Bokuden gegründet. O-Sensei Morihei Ueshiba dürfte etwa um das Jahr 1937 darin unterrichtet worden sein. Auf diese Weise flossen Stil und Prinzipien der Schule später ins Aikido ein. Kashima shinto-ryu gilt u.a. als Basis der Schwertarbeit im Aikido.

* Anm.: Koryu bzw. kobudo sind Sammelbegriffe für traditionelle japanische Kampfkünste, die ihren Ursprung vor der Meiji-Restoration haben – im Gegensatz zu den sogenannten gendai budo, also jenen Kampfkünsten, deren Entstehung bzw. Gründung nach 1868 datiert.

Neustrukturierung im Aikido

Im Laufe der Entwicklung hin zum “modernen” Aikido hat sich eine Umstrukturierung ergeben. So gilt heute bei der Arbeit mit (Holz-)Schwertern (bokken) und mit dem Stock (jo), bzw. in den dazugehörigen Partnerübungen (kumi-tachi, kumi-jo und ken tai jo), dass eher ein kohai in die Rolle des uchidachi schlüpft, ein senpai jene des shidachi innehat.

Somit fällt dem Schüler die Aufgabe der ersten Aktion in einer Begegnung mit Waffen zu, allerdings gestattet shidachi wiederum diese erste Aktion, indem er bewusst und betont eine Öffnung für diese Initiative schafft. In der Praxis geschieht dies meist durch ein leichtes Zur-Seite-Nehmen oder Sinken-lassen der Waffe.

Unverändert bleibt, dass shidachi die letzte Aktion ausführt und folgerichtig uchidachi in der Begegnung letztlich das Nachsehen hat.

https://youtu.be/ZitsYfEGxVA?t=10s

Quellen:

budostudies.com (2018). URL: https://budostudies.com/courses/ryushin-shouchi-ryu-miami-kobudo

en.wiktionary.org (2017)

jisho.org (2018)

Taylor, Michael W. (2004): Aikido terminology. An essential reference. Lulu Press.

Ueshiba, Kisshomaru (2003): Der Geist des Aikido. Heidelberg: Werner Kristkeitz Verlag.

wadoku.de (2018)

wikipedia.de (2018)


Anmerkung des Autors: Die von mir verfassten Artikel möchte ich keinesfalls als ultima ratio verstanden wissen und ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr wünsche ich mir, damit einen Beitrag zu einem Nebeneinander von Interpretationen bzw. einer lebendigen Auseinandersetzung rund um Budo leisten zu können. Ich möchte auch alle Leser höflich einladen, zu kommentieren, kritisch zu hinterfragen, zu redigieren, zu ergänzen usw. Herzlichen Dank.